
2. Fastensonntag
„Freiwilliges Engagement ist erfüllend…“
Guten Morgen!
Schön, dass ihr euch heute die Zeit nehmt, und ich freue mich dass ich hier sein darf. Ich werde für all die Menschen sprechen, die sich für unsere Gemeinschaft einsetzen und für ein gutes Miteinander sorgen. Hoffnung, Empathie und Verständnis zu vermitteln war mir immer schon ein Herzens - Anliegen.
Ich erzähle euch heute über meine ehrenamtlichen Tätigkeiten und wie es dazu gekommen ist:
Geprägt haben mich die Erfahrungen die mir meine Eltern über viele Jahre mitgegeben haben. Fast 20 Jahre lang haben sie Studenten aus Afrika und Asien an Weihnachten eine Familie gegeben. Und so hatten wir schon seit Anfang der 60er Jahre mit diesen Menschen von Weihnachten bis Dreikönig gelebt. Wir haben Feste gefeiert, aber auch den Alltag mit vielen schönen Erlebnissen verbracht. Bei Gottesdiensten habe ich aber gespürt, wie die Mess-Besucher unseren Gästen mit Neugier, Scheu, Berührungsängsten und Unsicherheiten begegnet sind. Schließlich hatten sie eine andere Hautfarbe, Kultur und Religion. Es war nicht immer einfach aber eine große Bereicherung mit vielen Lernprozessen. Eine Begegnung mit den Heiligen 3 Königen ist mir noch lebhaft in Erinnerung, die weißen Hände vom Melchior, dies hat bei unserem senegalesischen Gast große Heiterkeit ausgelöst.
Ich bin meinen Eltern heute noch dankbar für die Erfahrungen und Bereicherungen.
Diese Offenheit kam mir bei meiner Arbeit bei der Volkshochschule zugute. Dort hatte ich über 20 Jahre die Bereichsleitung und die Koordination auch für die Integrationskurse inne. Es waren wunderbare Aufgaben, die mich erfüllt haben. Flüchtlinge zu begleiten, ihnen die deutsche Sprache näher zu bringen, und ihnen zu helfen.
Durch meinen Glauben fühle ich mich berufen, Menschen die nicht auf der Sonnenseite des Lebens geboren sind und nicht so viel Glück hatten wie ich, zu unterstützen.
Meinem Gott begegne ich im Alltag, bei meinen Tätigkeiten, bei Begegnungen. Er gibt mir Kraft auch wenn es nicht immer einfach ist und ich auch an Grenzen stoße.
Seit der Pension bin ich bei der Lernerei und beim Begegnungscafe, in diesem setzen sich Frauen und Männer bereits seit 10 Jahren in der Betreuung von Flüchtlingen ehrenamtlich ein. Vor euch habe ich größten Respekt, dafür möchte ich von ganzem Herzen danke sagen. Alle Menschen, die diese Möglichkeiten bei den Lernhilfen nutzen und beanspruchen, kommen freiwillig. Sie möchten lernen, sich integrieren und hier ein neues Leben aufbauen. Wir holen sie dort ab, wo sie stehen, wo ihre Bedürfnisse und Fähigkeiten liegen. Wir helfen ihnen bei Hausaufgaben, bei Prüfungsvorbereitungen und Amtswegen, bei Wohnungs- und Arbeitssuche und vielem mehr.
Stellvertretend für die vielen berührenden Lebensgeschichten möchte ich euch von Habiba erzählen:
Sie kommt aus Somalia, wo sie nie eine Schule besuchen konnte. An einem Mittwoch, im Februar 2014 mit 15 Jahren und 7 Monaten ist sie ganz alleine und ohne dass sie ihre Familie eingeweiht hatte von Mogadischu geflüchtet. Nur mit einer kleinen Tasche und einem Zettel mit den Telefonnummern von Mama und Papa. An der Grenze zu Äthiopien wurde sie immer wieder zurückgeschickt, Soldaten haben geschossen und Hunde wurden auf die Menschen gehetzt. Sie hat es dann doch geschafft und nach 4 Monaten Addis Abeba erreicht. Dort wurde sie unter widrigen Umständen weitere 4 Monate festgehalten. Wieder weiter über die Grenze in den Sudan, in einem kleinen Dorf hat sie 9 Monate in einem Flüchtlings - Camp gelebt und gearbeitet. Von dort ging es weiter 4 Monate lang durch die Sahara über die Grenze nach Libyen direkt ins Gefängnis. 8 Monate lang wurde sie dort gefangen gehalten und täglich wurden sie mit Schläuchen die sich den ganzen Tag an der brütenden Sonne aufgeheizt haben geschlagen, oft bis zur Bewusstlosigkeit. 5000 Dollar haben diese Schlepper gefordert, da wurde erstmals ihre Mutter angerufen und ihre Familie musste dieses Geld auftreiben. Am Morgen und Abend bekamen sie ein Stück Brot und eine kleine Flasche Wasser. Das Wasser wurde ihnen teilweise von anderen Gefangenen abgenommen. So hat Habiba ihr Wasser in ihren Hijab ihren Schleier geleert, so dass sie wenigstens daran saugen konnte. Dafür wurde sie furchtbar geschlagen. Erst als die Familie dieses Geld bezahlen konnte, wurde sie in einen Lastwagen verfrachtet und zum Meer gefahren. Um Mitternacht wurden die Schlepper-Boote losgeschickt, 2 mal wurde sie wieder zurück gewiesen. Erst in der 3. Nacht konnte sie ein Boot besteigen. Mitten auf dem Meer hat der Schlepper den Motor abgenommen und ist mit seinem Kollegen auf ein anderes Boot gewechselt, zurück nach Libyen. 4 lange Tage und Nächte sind sie auf dem offenen Meer ohne Antrieb herum geschaukelt. 4 Menschen sind in Panik über Bord ins Wasser gesprungen und ertrunken. Kaum einer konnte schwimmen, auch Habiba nicht. Irgendwann hat ein Helikopter Schwimmwesten abgeworfen und ihnen zugerufen, dass Hilfe kommt. Am 24. Dezember 2016, es war der Heilige Abend, Habiba war da 17 einhalb Jahre alt, haben sie Lampedusa erreicht. Als sie diese vielen Lichter gesehen hat, wusste sie, dass sie nun in Freiheit ist. Die Boote, die sie ursprünglich eigentlich besteigen hätte sollen, haben Italien nie erreicht. Alle Menschen sind ertrunken.
Danach wurde Habiba in einem Camp in den Bergen in Kalabrien untergebracht. Später hat sie bei einer alten Frau in Cosenza gelebt und gearbeitet. Jeden Sonntag haben sie gemeinsam die katholische Messe besucht. 3 Jahre später hat sie ihr versprochener Mann abgeholt. 2019 kamen die beiden dann nach Österreich.
Im Frühjahr 2023 ist Habiba mit ihrem 3. Kind (10 Tage alt), zu uns in die Bibliothek spaziert. Bei uns lernte sie lesen und schreiben, erwarb Grundkenntnisse in der Grammatik. Die A2 - Prüfung hat sie erfolgreich bestanden. Heute kann sie sich ausdrücken und ohne große Probleme am Alltagsleben teilnehmen. Einfache Texte verstehen und wiedergeben, selbst Fragen stellen und beantworten. Sie ist selbständig.
Es gibt noch unzählige Geschichten aus verschiedenen Ländern zu erzählen, die immer wieder mein Herz berühren. Gerade deshalb lohnt es sich, dass ich mich einsetze. Den Menschen eine Hoffnung, Empathie und Verständnis zu geben ist beglückend. Glaube verlangt ein verantwortungsvolles Verhalten zu meinen Mitmenschen und zur Natur.
Ich wünsche mir für uns alle, dass dieses Miteinander gelingt. Darum müssen wir uns in Toleranz, Demut und Bereitschaft üben.
Möge die Übung gelingen.
Danke, dass ihr mir zugehört habt.
PDF DOWNLOAD Fastenpredigt Johanna Heinzle
1. Fastensonntag
„Was ist ein gutes Leben?“
Ich habe heute die einmalige und nicht wiederkehrende Gelegenheit, zu predigen. Ich möchte das so ähnlich machen wie ich es jeden Sonntag zu Hause beim Frühstückskaffee mache. Statt der Tageszeitung schaue ich mir das Tagesevangelium an und sinniere, ob das wohl mit mir etwas zu tun hat, meistens finde ich dann auch etwas, manchmal auch nicht und so teile ich heute die Gedanken mit euch.
Meine Predigt dauert sieben Minuten, dass ihr euch einstellen könnt.
Meiner Geschichte habe ich die Überschrift gegeben: „Heimweh“
Also die Geschichte beginnt: Da ist ein heimatloser Aramäer – so heißt es in der ersten Lesung – ein Heimatloser, ein Fremdling in Ägypten, ein Umherirrender heißt es in einer anderen Übersetzung. Er hat Glück. Er findet einen Ort, wo er bleiben kann, wo man ihn bleiben lässt, wo er sicher ist, seine Grundbedürfnisse werden gestillt. Er sitzt an den Fleischtöpfen, heißt es – er hat also genug zu essen, er findet eine Frau, er gründet eine Familie, er hat reichlich Nachkommen – aber ganz glücklich ist er nicht. Er fühlt sich unterdrückt, er muss Arbeit erledigen, die nicht seine Arbeit ist, Fronarbeit ist es. Also man kann sagen: Obwohl er scheinbar äußerlich alles hat, bleibt er ein großes Stück innerlich heimatlos, sein inneres Wurren, seine emotionale Unwucht wird immer mehr und mehr, gipfelt schließlich in einem Aufschrei, so groß ist seine Sehnsucht, sein Heimweh nach dem Land, wo Milch und Honig fließen. Milch als Bild für das nährend-bergende Mütterliche, Honig Sinnbild für die Süße des Lebens, die Freude, die Extase. So kommt es wie es kommen muss. Er verlässt seinen Ort, er zieht aus, er sucht sein Glück, will sein Glück finden.
So zog ich aus, um mein Glück zu suchen, schaute mich überall um, was denn so für Lebensentwürfe in der Welt sind. Wo bzw, wie die Menschen leben, die mir glücklich schienen. Wo die Menschen leben, die mich eher nicht inspirieren. Ging auf viele Meditationsretreats, hatte immer sehr gute Vorsätze, aber der Praxis-Alltag wischte alle Illusionen innerhalb von einer halben Stunde immer weg.
Ich besuchte viele Seminare, über den Inhalt möchte ich lieber nicht sprechen, wanderte auf dem Franziskusweg von Florenz nach Rom usw.
So eine Glückssuche schaut für die Außenstehenden, die Familie sehr merkwürdig aus. Den Kindern ist es größtenteils sehr peinlich, sie diagnostizieren eine schwere Midlife-Crisis, mahnen den Vater oder die Mutter zur Vernunft, das Umfeld will den Glückssucher immer wieder zurückbringen an seinen eingesessenen, alten Platz, wo er gut funktioniert. Aber meistens ist es vergebens, einmal aufgebrochen lässt sich so ein Glücksucher schwer aufhalten. Von außen schaut es egoistisch aus, aber es täuscht, Glücksuche ist Gottsuche. Das Volk Israel zeiht durch das Rote Meer, die Hl. Drei Könige folgen einem Stern, Jesus geht in die Wüste, 40 Tage irrt er herum, fastend. Seinen Hunger zu stillen ist wohl die naheliegendste Glückverheißung. Ja sowieso: Essen und Trinken ist Grundvoraussetzung, aber allein für das Glück ist ihm das zu wenig. Ja, dann wäre da noch Macht und Herrlichkeit, Anerkennung, Ruhm und Ehre, lauter guter Dinge. Aber Jesus sieht auch, was daraus entsteht: Unfreiheit und Abhängigkeit. Jesus kommt im Frieden mit sich aus der Wüste heraus, Jesus damals und ich heute predigen, was jeder für sich auf der Glücksuche gefunden hat. Im Grunde haben wir beide ziemlich ähnliches gefunden. Das Glück hat weniger damit zu tun, was ich tue, sondern mehr, wie ich es tue. Es geht mehr um die innere Haltung, mit der ich mir selber, meinen Mitmenschen und dem Leben generell, Gott begegne. Glückselig die Sanftmütigen, sie werden das Land erben. Glückselig die Sanftmütigen, sie werden nach Hause finden, ihnen wird entgegen gewartet. Was Sanftmut ist, insbesondere in meiner alltäglichen Lebenssituation, das gilt es zu ergründen. Schon bin ich am Ende. Ich wünsche uns allen eine seligmachende Pilgerreise durch die Fastenzeit. Danke fürs zuhören.