
Br. Hubert war über 40 Jahre lang zusammen mit Bischof Erwin Kräutler als Missionar am Xingu in Brasilien, am 10. Oktober 1995 ist er bei einem Attentat ermordet worden. Aus Anlass des 30. Jahrestages hat Bischof Kräutler einen Brief verfasst:
Jahrzehnte lang waren wir Zimmernachbarn und verstanden uns ausgezeichnet. Ich schätzte seine Arbeit, seinen unermüdlichen Einsatz. Er war ein überzeugter Mitarbeiter am Xingu. Nie hörte ich ein Unwort von ihm oder eine Klage. Ein stets zufriedener Mensch, vielseitig fachkundig, gerade und pflichtbewusst!
Wir sprachen kaum Deutsch, sondern nur Portugiesisch, auch bei Tisch. Es gab immer Leute, die uns nicht verstanden hätten. Wir wollten uns nie sprachlich absondern. Aber wenn Hubert und ich, hin und wieder nur unter uns, die alten Zeiten heraufbeschworen, fielen wir zurück in unsere gemeinsame Muttersprache, die nie Hochdeutsch war, sondern Alemannisch: Hubert mit seinem alt-Götzner und ich mit Koblacher Akzent. Wir lachten immer wieder über die kleinen Unterschiede. Er gestattete mir selbstverständlich, dass ich statt Götzis „Gätzis“ sagte, und ich ließ ihn auch „Koobla“ (mit langem „o“: „Wer nit folgat muss gi Kooobla!“) so aussprechen, wie er es von Kind auf gewohnt war.
Wir lebten in den 60er und 70er Jahren in Altamira noch ohne große abendliche Verpflichtungen an Wochentagen und so hatten wir auch Zeit für eine Schachpartie. Ich habe kein einziges Spiel je gegen Hubert gewonnen. Ein „Patt“ war für mich immer schon ein Sieg!
Hubert war neben all seinem Einsatz auch ein Hobby-Fischer und hin und wieder rüstete er sich für ein paar Tage Auszeit zum Fischen. Wer dabei nicht fehlen durfte, war „Faísca“, eine zierliche Hündin, die ihn getreu begleitete.
Am 10. Oktober 1995 wurde er aus nächster Nähe am Eingang unseres Hauses in Altamira (heute Diözesanhaus der Diözese Xingu – Altamira) erschossen. Mehrere Männer kamen und gaben an, mit Pater Fritz Tschol (meinem Generalvikar) sprechen zu wollen. Jeden Tag kamen viele Leute mit den verschiedensten Anliegen zu uns. Wie fast immer gegen Mittag saß Hubert an seinem gewohnten Platz im Eingangsbereich. „Jeder kommt dran!“, bat er die Ankommenden um Geduld. Schüsse aus einer Maschinenpistole waren die Antwort! Ein Schuss traf Bruder Hubert in die Aorta, ein weiterer in die Brust. Er war sofort tot! Schreie und Verzweiflung im ganzen Haus! Pater Fritz Tschol spendete Hubert noch das Sakrament der “Letzten Ölung“.
Hubert vertrat den Pförtner, dessen Frau ein weiteres Kind zur Welt gebracht hatte: „Bleibe ein paar Tage zu Hause“ sagte ihm Hubert, „bei deiner Frau und eurem Neugeborenen! Ich übernehme deine Aufgabe an der Pforte! Mach dir keine Sorgen!“ Bis heute erinnert ein Loch in der Wand, an eine der Kugeln, die den Bruder verfehlte. Darüber hängt das Foto von unserem Bruder Hubert.
Aber es gab noch etwas, bevor ich wieder abreiste. Ich wollte kurz auf mein Zimmer und sah auch gleich vor der Tür meines ermordeten Zimmernachbarn die treue Hündin Faísca. Als sie mich erblickte, begann sie so jämmerlich zu heulen, vielleicht ist der treffendere Ausdruck doch: „zu weinen“, dass mir selbst die Tränen kamen. Ich habe Faísca nachher nie wieder gesehen.
Bruder Hubert war einer der klassischen Ordensbrüder, denen die Kirche unendlich viel verdankt. Hubert gehörte zu unserer Gemeinschaft, der Kongregation der Missionare vom Kostbaren Blut. Am 3. November 1930 ist er in Götzis geboren. Am 20. März 1956 kam er an den Xingu. Unsere Brüder bauten die Infrastruktur auf, von der die Diözese Xingu-Altamira bis heute profitieren.
Besonders beeindruckend war für mich immer die Art von Bruder Hubert, sich zu bedanken! Auf jede, auch noch so geringfügige Gefälligkeit antwortete er sofort mit den Worten: „Foi ótimo, muito obrigado!“ (Das war ausgezeichnet, vielmals danke).
Altamira, 22. September 2025
Erwin Kräutler
Bischof emeritus vom Xingu